Porträt

Thomas Reitmaier, Kantonsarchäologe

Thomas Reitmaier (*1977) hat von 2001 bis 2006 als archäologischer Taucher bei der Fachstelle Unterwasserarchäologie der Stadt Zürich gearbeitet und war danach (2006-2012) als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Archäologie der Universität Zürich tätig. Seit 2012 ist er Kantonsarchäologe von Graubünden.

(Mai 2018)

 

Welche Fächer haben Sie an welcher Universität studiert?

Ur- und Frühgeschichte, Mittelalter- und Neuzeitarchäologie sowie Klassische Archäologie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck/A, Promotion ebenda 2006.

Wann haben Sie sich für Altertumswissenschaften zu interessieren begonnen und gab es ein Schlüsselerlebnis, das Ihre Studienwahl massgeblich beeinflusst hat?

Schon im Verlauf der Kindheit, Vater Latein-/Geschichtslehrer, frühes Interesse an römischer Antike, ab Pubertät war klar, dass ich Archäologe werden will; Schlüsselerlebnis: erste Teilnahme an Grabung auf einer mittelalterlichen Burg in meiner Heimat zusammen mit Schulkollegen.

Hatten Sie vor dem Studium ein bestimmtes Berufsbild im Kopf, gab es für Sie Vorbilder?

Vor dem Studium bin ich davon ausgegangen, dass ich einmal im Mittelmeerraum arbeiten werde. Dass man Archäologe auch in Mitteleuropa sein kann, war mir früher nicht so bewusst. Daher hab ich relativ rasch auf das Hauptfach Ur- und Frühgeschichte gewechselt, da die künftigen Arbeitsmöglichkeiten hier doch deutlich besser waren, auch die studentische Betreuung an der Uni. Vorbilder gab es nicht, aber ich habe schon als Schüler auf Ausgrabungen der Uni Innsbruck teilgenommen, um mir ein reales Bild der Archäologie zu machen (zumal mir viele vom Studium abgeraten haben, brotlose Kunst etc.).

Wie haben Sie das Studium erlebt, was hat Ihnen besonders Spass gemacht, was hat Ihnen eher Mühe bereitet?

Eigentlich sehr angenehm, obwohl ich zugegebenermassen kein besonders fleissiger Student war; ich hatte aber das Glück, schon während des Studiums eigene kleine Grabungen durchzuführen und auch zu leiten. Das hat mir sehr viel Spass gemacht, man war gefordert, wurde aber auch gefördert, und hatte die Möglichkeit, erste kleine Berichte zu publizieren, an Tagungen aufzutreten etc.

Aus welchen Gründen würden Sie einer Maturandin, einem Maturanden raten, ein altertumswissenschaftliches Studienfach zu wählen?

Ich würde jemandem nur zu einem derartigen Studium raten, wenn er/sie das auch wirklich will. Ich finde, bis zu einem gewissen Grad sollte man sich schon für ein derartiges Fach berufen fühlen, es setzt viel Interesse und viel Idealismus voraus, während des Studiums und vor allem auch danach, in der hoffentlich erfolgreichen Berufs- und Arbeitswelt. Altertumswissenschaftliche, archäologische Fächer sind aus meiner Sicht aber eine ungemeine Bereicherung, nicht nur aus fachlich-beruflicher, sondern auch aus persönlicher Sicht.

Beschreiben Sie uns bitte kurz Ihre aktuelle berufliche Tätigkeit, welche Aspekte Sie besonders schätzen und welche weniger.

Als Leiter des Archäologischen Dienstes Graubünden bin ich mit einem Team von ca. 30 Mitarbeitenden verantwortlich für das reiche archäologische Kulturerbe Graubündens. Wir umschreiben den gesetzlichen Auftrag gern mit dem Dreiklang Untersuchen – Bewahren – Vermitteln.
An meiner Arbeit schätze ich vor allem die Vielseitigkeit der täglichen Aufgaben, von administrativen, finanziellen und personellen Angelegenheiten über laufende Grabungsprojekte bis zu mittel- und langfristigen strategischen Planungen im Betrieb. Ebenso schätze ich eine vielfältige und attraktive Vermittlungsarbeit – ich finde es enorm wichtig, dass wir allen Interessierten mit Leidenschaft und Freude erzählen, was wir machen. Das sind wir schliesslich der steuerzahlenden Öffentlichkeit schuldig. Leider kommt, natürlich, die eigene archäologische Arbeit viel zu kurz, ich wäre gern wieder einmal länger auf einer Ausgrabung tätig.

Welchen Nutzen hat Ihnen das Studium für Ihre aktuelle Tätigkeit gebracht?

Eine grundlegende fachliche Ausbildung in Theorie und Praxis auf zahlreichen archäologischen Gebieten, d.h. eine fundierte archäologische Basis, raumzeitlich bezogen auf Mitteleuropa von der jüngeren Urgeschichte bis in die Neuzeit.

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten, die für Ihr aktuelles Berufsleben wesentlich sind, haben Sie ausserhalb des Studienkontextes erworben?

Erfahrungen auf zahlreichen archäologischen Ausgrabungen; Führungserfahrung, Verantwortung, Kreativität, Gestaltungswille, Transparenz, politisches Gespür; Teamfähigkeit, Sozialkompetenz, Öffentlichkeitsarbeit etc...

Im Rückblick, was erachten Sie als wichtige Voraussetzungen für ein Studium der Altertumswissenschaften? Und welche Ergebnisse haben sich nach Abschluss des Studiums für Sie als relevant erwiesen?

Leidenschaft und Begeisterung für das Fach, hoher Einsatz und ein gewisses Durchhaltevermögen, Fleiss und Interesse; eine gewisse Demut bzw. ein Sich-vor-Augen-Halten, dass es eigentlich ein Privileg ist, solche Fächer studieren und anschliessend in einem entsprechenden Beruf arbeiten zu können.

War es nach dem Studium leicht, eine Stelle zu finden?

Überraschenderweise ja (für mich bedeutete das allerdings: die Heimat zu verlassen und im Ausland, d.h. in der Schweiz, eine Stelle anzutreten und hier zu arbeiten).

Thomas Reitmaier, Kantonsarchäologe von Graubünden